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23.01.2024 | Interview mit Prof. Frank Baur und Prof. Dr. Steffen Hütter von der IZES gGmbH

„Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Standortfaktor, der Unternehmen Zukunftschancen bietet.“

Prof. Dr. Steffen Hütter
Institut für Zukunftsenergie- und Stromstromsysteme
(IZES gGmbH)

Nachhaltigkeit ist als Megatrend unserer Zeit ein zentrales Anliegen für Unternehmen. Von der Industrie bis zum Gewerbe wächst die Erkenntnis, dass das eigene Handeln einen erheblichen Einfluss auf die Umwelt, die Gesellschaft und letztendlich auch auf einen langfristigen Erfolg hat. Im Gespräch mit Dirk Stöhr, Teamleiter Gewerbekunden der Energie SaarLorLux, geben Prof. Dr. Steffen Hütter und Prof. Frank Baur vom Institut für Zukunftsenergie- und Stoffstromsysteme (IZES gGmbH) Einblicke und Hintergründe zu verschiedenen Aspekten der Nachhaltigkeit in Unternehmen aus der Sicht ihrer Forschungsschwerpunkte.

Herr Prof. Dr. Hütter, welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit in Unternehmen heute?

Steffen Hütter: Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Standortfaktor, der den Unternehmen Zukunftschancen bietet! Daher ist es im Interesse der Unternehmen, nachhaltige Geschäftspraktiken zu entwickeln und die sozialen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen unserer Tage darin zu integrieren. Wenn ein Unternehmen bspw. Warmwasserbereitung mit Erdöl durch Solarthermie ersetzt, verringert es negative Auswirkungen seines Handelns auf die Umwelt – die „Inside-Out-Perspektive“ der Nachhaltigkeit. „Outside-In“ bedeutet dann, dass dieses Unternehmen bei seinen Geschäftsmodellen darauf achtet, dass steigende Ölpreise (z. B. aufgrund sinkender Wasserstände der großen Wasserstraßen etc.) langfristig seine Kosten und Erlösperspektiven beeinflussen. Weiterhin verschieben sich diesbezüglich aktuell die Rahmenbedingungen, indem durch entsprechende Abgaben – z. B. die CO2-Bepreisung – die Realkosten eines nicht nachhaltigen Handelns in zunehmendem Maße zum teuren Referenzpreis werden.

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Herr Prof. Baur, welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie für Unternehmen bei der Umstellung auf nachhaltige Praktiken? Lassen sich dabei Ökologie und Wirtschaftlichkeit miteinander vereinbaren?

Frank Baur: Dieser Prozess kann herausfordernd sein, ist aber dennoch lohnend: Man benötigt Mut, um Bestehendes in Frage zu stellen und es besser machen zu können. Beim Dialog mit den Beschäftigten genauso wie mit weiteren Stakeholderinnen und Stakeholdern außerhalb des Unternehmens könnten auch Unmut und Ängste zu Tage treten. Die Einführung neuer Prozesse bedeutet die Abkehr von bekannten Routinen. Jede dieser Herausforderungen birgt auch Chancen, wenn bspw. nach einem Umbau das neue Beleuchtungssystem nicht nur energiesparender ist, sondern auch angenehmer für die Augen. Und ein Dialog mit Stakeholderinnen und Stakeholdern kann neue Synergien in den Stoffkreisläufen schaffen, bspw. durch das Upcycling von Dingen, die vorher als sogenannter „Abfall“ galten und nun sogar neue Erlöse kreieren.

Zur zweiten Frage: In der Natur finden wir die besten Beispiele für synergetische Kreislaufwirtschaft, die Ressourcen schont und Aufwand minimiert. Wir tun gut daran, von der Natur zu lernen. Mit anderen Worten: Ökonomie und Ökologie stellen keine unvereinbaren Gegensätze dar, sie gehören untrennbar zusammen. In die Praxis übertragen, verschieben sich diesbezüglich aktuell die Rahmenbedingungen, indem durch entsprechende Abgaben – z. B. im Sinne der CO2-Bepreisung – die Realkosten eines nicht nachhaltigen Handelns in zunehmendem Maße zum teuren Referenzpreis werden.

Welche Rolle spielen Energieeffizienz und -einsparung sowie erneuerbare Energien bei der Nachhaltigkeit für Unternehmen?

Steffen Hütter: Die Energieverbräuche eines Unternehmens können sehr unterschiedlich sein: Unternehmen im Dienstleistungsbereich haben andere Nutzungsprofile als die des produzierenden Sektors, der Logistikbranche, des Handels oder der Dienstleistungen am Menschen etc. Dies bedingt, wie sie jeweils durch passende Kombinationen von absoluten und relativen Energieeinsparungen und den Einsatz von erneuerbaren Energien zum Klimaschutz und zu einem sparsameren Umgang mit natürlichen Ressourcen und zur Vermeidung von Emissionen (z. B. Treibhausgase, Stickstoff- oder Partikelemissionen) beitragen können. Gleichzeitig hilft dies bei der Minimierung der damit verbundenen Gefahren, insbesondere für Gesundheit und Biodiversität. Zusätzlich bedeutet jegliche Energieeinsparung mittel- bis langfristig geringere Kosten für die Gewinnung und Umwandlung von Energie und die Möglichkeit, von externen Energiequellen und von Ländern mit autoritären Regierungsformen unabhängiger zu werden und somit resiliente Versorgungsstrukturen aufzubauen.

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„Ökonomie und Ökologie hängen untrennbar zusammen“

Prof. Frank Baur, IZES gGmbH

Können Sie uns etwas über die laufenden Forschungsprojekte Ihres Instituts im Bereich nachhaltiger Energie- und Stoffstromsysteme erzählen?

Frank Baur: Im IZES arbeiten wir, um nur einiges, was für die saarländischen Unternehmen relevant ist, zu nennen, z. B. an Konzepten für einen Energieeinkauf, der den Nachhaltigkeitskriterien genügt und bestmöglich an die Prozesse im Unternehmen und die Energiemärkte angepasst ist. Im Bereich Wärme sind wir u. a. sehr intensiv an der Nutzung von Abwärme und an der Bereitstellung von Basisdaten und Instrumenten für die bald verpflichtende Wärmeplanung von Kommunen tätig, die zukünftige technische, demographische oder ökonomische Entwicklungen einbeziehen. Im Bereich des Stoffstrommanagements entwickeln wir Konzepte für die zukünftige circular economy, die Produktionsprozesse und -materialien ganzheitlich betrachtet und umfassende Nutzungskreisläufe einsetzt. Prominente Projekte hierfür sind die nachhaltige Bereitstellung und Nutzung der lokalen Ressource Holz in der gesamten Großregion sowie die Schaffung von Kreisläufen bei der Nährstoffversorgung für die Lebensmittelproduktion.

Steffen Hütter: Wir forschen auch zu Infrastrukturen für eine nachhaltige Mobilität, wobei die Fragen nach der Verfügbarkeit alternativer Treibstoffe genauso wie der Aufbau und die Erforschung passender Fahrzeuge, Lade- und Speicherinfrastruktur gehört. Wir erarbeiten Anpassungsstrategien an den Klimawandel, welche die Gefahren durch drohende Extremwetterereignisse mindern können und gleichzeitig das Stadtklima verbessern und die Kommunen grüner und lebenswerter machen. Nicht zuletzt beschäftigen wir uns mit Fragen der Akzeptanz neuer Technologien oder Geschäftsmodellen im Bereich der Energie- und Stoffstromsysteme und mit dem Verhalten der Menschen im Rahmen dieser Nachhaltigkeitsmaßnahmen.

„Nachhaltige Ökonomie ist der Schlüssel zu planetarem und menschlichem Wohlbefinden.“

Prof. Dr. Steffen Hütter, IZES gGmbH

Wie sehen Sie das Saarland – als ein Bundesland im Strukturwandel – in Sachen Nachhaltigkeit aufgestellt?

Frank Baur: Das Saarland steht vor großen Herausforderungen, um die anstehenden und drängenden Fragen des Strukturwandels, des Klimaschutzes, der Energiewende sowie der sozialen und demografischen Veränderungen im Sinne der Sicherung eines zukunftsfähigen Standortes für Industrie, Arbeit und Leben zu beantworten. Unternehmen fordern in einem zunehmenden Maße grüne, resiliente Versorgungsstrukturen sowohl für Strom und Wärme als auch hinsichtlich der benötigten stofflichen Ressourcen. Gleichzeitig gilt es – auch im Hinblick auf die dringend benötigten Fachkräfte – ein attraktives Lebens- und Arbeitsumfeld zu schaffen, das insbesondere durch die Kommunen und kommunalen Unternehmen im Kontext einer nachhaltigen Stadt-, Quartiers- und Mobilitätsplanung zu gewährleisten ist.

Steffen Hütter: Im Saarland kennen wir uns ja mit Strukturwandel, d. h. mit Veränderungen an einem bestehenden Wirtschaftssystem, aus. Da haben wir schon viel erreicht und viel gelernt. Das, was uns Menschen – im Saarland und außerhalb – nun gelingen muss, ist diesen Strukturwandel so (UM!-)zu gestalten, dass unser Handeln keine nachteiligen Auswirkungen auf Ökologie und Ökonomie hat.
Nachhaltige Ökonomie ist der Schlüssel zu planetarem und menschlichem Wohlbefinden. Wir als IZES arbeiten – bei weitem nicht alleine – daran, diesen Strukturwandel zu schaffen. Das Saarland hat viele kluge Köpfe und gute Ideen – packen wir es an!