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20.04.2023 | Interview

„Erneuerbare Energien und CO2-Neutralität sind für die Stadtplanung wichtige Faktoren.“

Prof. Dr.-Ing. Sven Uhrhan
Hochschule Bremen

Herr Dr. Uhrhan, welche Rolle spielen erneuerbare Energien mittlerweile für die Stadtplanung und somit auch für Unternehmen?

Sven Uhrhan: Die erneuerbaren Energien sind in ihrer Bedeutung extrem angestiegen. Auch das Ziel CO2-Neutralität hat sich bis in die Kommunen hinein zu einem wichtigen Faktor entwickelt. Diese Punkte spielen für die Stadtplanung eine große Rolle. In Großstädten werden Konzepte in Form von Smart-Mobility-Strategien oder Green-City-Plans vielfach schon mit großem Elan vorangetrieben und umgesetzt. Für kleinere Gemeinden spielen diese Umsetzungen momentan noch eine untergeordnete Rolle. Im Saarland ist sicherlich Saarbrücken der Pacemaker zur Einbindung von unterschiedlichen erneuerbaren Energien in die Stadtplanung.

Städte, wie z. B. Saarbrücken, diskutieren derzeit die Photovoltaik-Pflicht für Neubauten sowie weitere Vorgaben, um die Netze zu entlasten und erneuerbare Energien zu fördern. Welche Ansätze sind aus Ihrer Sicht sinnvoll bzw. realisierbar und worauf sollten sich Unternehmer vorbereiten?

Sven Uhrhan: Kommunen müssen immer versuchen, voll auf erneuerbare Energien zu setzen, wenn sie eine Klimaneutralität Interview Prof. Dr.-Ing. Sven Uhrhan, Hochschule Bremenerreichen wollen. Das ist bereits alleine aus dem Standard zur CO2-Bilanzierung (BISKO) heraus alternativlos. Daher ist u. a. eine Photovoltaik-Pflicht für Neubauten sinnvoll und notwendig. Aber auch andere planerische Potentiale müssen hier genutzt werden. Dabei ist zu betonen, dass es Unterschiede zwischen kommunalem und wirtschaftlichem Handeln gibt. Ein Beispiel ist der europäische und nationale Emissionshandel, an dem Unternehmen teilnehmen können. Vereinfacht ausgedrückt: wer CO2 ausstößt, muss für diese Emissionen zahlen, was über die EU-weite Ausgabe von Zertifikaten funktioniert. Ungenutzte Zertifikate können wiederum von denjenigen Unternehmen erworben werden, für die eine Reduktion der eigenen Emissionen derzeit nicht möglich oder zu teuer ist.

Unternehmen können sich sozusagen von ihrer eigenen Reduktion freikaufen, was der entscheidende Unterschied zu kommunalem Handeln ist. Kommunen steht das Instrument des Emissionshandels nicht zur Verfügung, sodass Kommunen alle ihre zur Verfügung stehenden Potentiale zur Einsparung von CO2 und auch zur Förderung erneuerbarer Energien ergreifen müssen. Daher führt an der planerischen Vorgabe zur Errichtung von PV-Anlagen im Grunde kein Weg vorbei.

Welchen Einfluss hat die E-Mobilität auf die Stadtplanung und die notwendigen Stromnetze, die – speziell in städtischen Ballungsgebieten – oft als nicht ausreichend für die Energiewende bezeichnet werden. Wie ist Ihre Erfahrung diesbezüglich und was muss gemacht werden, um Szenarien wie ein Blackout zu vermeiden?

Sven Uhrhan: Die E-Mobilität beeinflusst die Stadtplanung unmittelbar, da der Bedarf und die Infrastruktur an die gewünschten und geplanten E-Mobilitätslösungen der Kommunen angepasst werden müssen. Wenn es das Ziel ist, einen treibhausgasneutralen Verkehr in der Stadt umzusetzen, müssen dementsprechende Ladeangebote geschaffen werden. Für mehr Elektrofahrzeuge wird natürlich auch mehr Strom benötigt. Das hat auch einen Einfluss auf die Stromnetze. Für sie spielt neben dem Gesamtbedarf insbesondere die Lastenverteilung eine wichtige Rolle. Engpässe könnten vor allem dort entstehen, wo große Lasten gleichzeitig an einem Standort benötigt werden. Ein Lastmanagement steuert die Leistung von einzelnen Ladepunkten am selben Netzanschluss, sodass eine bestimmte Gesamtleistung nicht überschritten wird. Elektroautos können bei größeren Lasten weiterhin geladen werden, aber nicht mit der höchsten Leistung. Diese wird entsprechend reduziert, bis sich die Lasten am Standort wieder verringern. Unterschiedliche Studien und Praxistests zeigen, dass der durch die Elektromobilität notwendige Mehraufwand beim Netzausbau überschaubar ist. Auf der Basis der Fortführung und Entwicklung regelbarer Ladetechnologien erkenne ich das Szenarium eines Blackouts nicht. Dafür spricht auch, dass es für Unternehmen richtungsweisende, gesetzliche Vorgaben beim Ausbau der Elektromobilität gibt – u. a. in Form des Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetzes (GEIG).

„Das Ziel CO2-Neutralität hat sich bis in die Kommunen hinein zu einem wichtigen Faktor entwickelt.“

Prof. Dr.-Ing. Sven Uhrhan, Hochschule Bremen

Wie wichtig sind Mobilität und Erreichbarkeit für Kommunen und Unternehmen als Standortfaktoren im Wettbewerb um Fachkräfte?

Sven Uhrhan: Wenn ich mir als Stadt oder Kommune Gedanken über die Attraktivität für Arbeits- und Fachkräfte mache, gewinnt die Erreichbarkeit zunehmend an Bedeutung. Die größte Chance sehe ich hier in der Kombination von maximal drei, besser zwei Verkehrsmitteln. Dazu gehören funktionierende Park- bzw. Bike-and-ride-Angebote. Bei Park-and-ride kann Saarbrücken durchaus etwas vorweisen, insbesondere in Verbindung mit der Saarbahn, welche die Erreichbarkeit der Innenstadt und die Anbindung bis Lebach bzw. Saargemünd ermöglicht. Es ist wichtig, dass Pendlerinnen und Pendler außerhalb der Stadt abgegriffen werden und nicht die Hauptverkehrsachsen im Innenstadtring belasten. Zudem ist es ein Ansatz, dass Teile des Weges mit E-Bike oder Fahrrad kombiniert werden. Hier liegt es in der Verantwortung der Kommunen, Radwege zur Verfügung zu stellen und zu pflegen. Unternehmen wiederum sollten diese Mobilitätslösung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einplanen, indem sie bspw. Umkleidekabinen und idealerweise Duschen zur Verfügung stellen. Dadurch gewinnt der Arbeitsweg an Attraktivität. Er wird als Sportprogramm genutzt bzw. zum Erlebnisfaktor. Park-and-ride-Parkplätze sollten sich diesen Anforderungen anpassen und sichere Abstellmöglichkeiten sowie Ladestationen für Räder zur Verfügung stellen, sodass die Pendlerinnen und Pendler dort ihr Fahrrad stehen lassen und mit dem Auto nach Hause fahren können.

Ihr Lehrgebiet an der Hochschule Bremen heißt „Nachhaltige Mobilitätssysteme (in der Stadtentwicklung)“. Wie werden E-Mobilität und erneuerbare Energien die Stadtentwicklung in den nächsten zehn Jahren beeinflussen?

Sven Uhrhan: Speziell im Saarland wird das Auto angesichts der ländlichen Regionen und der dortigen ÖPNV-Angebote weiterhin eine große Rolle spielen. Daher geht es hier in erster Linie um eine Antriebswende bei den Fahrzeugen, um eine Verbesserung der Luft und damit der Lebensqualität in den Innenstädten zu erreichen. Andere Städte wie Freiburg oder Oldenburg bieten – oftmals auch politisch motiviert – Best Practice-Beispiele mit bis zu 45 % Fahrradanteil im Alltagsverkehr. Nachhaltige Verkehrspolitik in Saarbrücken könnte in einer aufeinander abgestimmten Förderung des ÖPNV und des Fahrradverkehrs liegen. Die Verlagerung des Autoverkehrs in Richtung ÖPNV ist ein großer Schritt, der leider selten gelingt. Das funktioniert meist nur über eine Erhöhung des Parkdrucks in der City, um der Nutzung des Autos die Bequemlichkeit zu nehmen. Auch hier rücken die innerstädtischen Arbeitsplatzstandorte und deren Park- und Stellplatzangebote in den Fokus, die öffentliche Hand kann sich einer Vorreiterrolle nicht verwehren. Wir werden viele kombinierte Infrastrukturen sehen, etwa mit PV-Anlagen, überdachten Parkplätzen oder autarken Gebäuden, deren Fassaden ihren eigenen Strom produzieren. Die E-Mobilität zahlt deutlich auf das Ziel ein, mehr Lebensqualität zu schaffen: der Verkehr wird leiser, die Luft reiner. Dadurch werden heute schwierige Immobilienlagen entlang von Hauptstraßen wieder attraktiver.

Profil Prof. Dr.-Ing. Uhrhan

Dr.-Ing. Sven Uhrhan ist seit 2022 als Professor für das Lehrgebiet „Nachhaltige Mobilitätssysteme (in der Stadtentwicklung)“ an der Hochschule Bremen tätig. Er lehrt und forscht dort in der Abteilung Bau und Umwelt. Dr. Uhrhan sieht in dieser innovativen Professur einen bedeutsamen Akzent für eine neue Mobilität in den Städten, die auf Vermeidung, Verringerung und nachhaltigerer Veränderung des verbleibenden Verkehrs ausgerichtet ist. Er ist sich sicher, dass auf die nächste Generation der Bauingenieurinnen und Bauingenieure spannende Aufgaben zum Umbau der Verkehrssysteme in unseren Städten und Stadtregionen wartet. Vor dem Ruf an die Hochschule Bremen war Dr. Uhrhan als Dezernent für Bauen, Umwelt und Verkehr in Oldenburg tätig, eine Stadt der Größenordnung wie Saarbrücken. Dort war er verantwortlich für die Stadtplanung, die Konzeption und Umsetzung der Verkehrs- und Mobilitätspolitik, den Klima-, Natur- und Umweltschutz sowie Bau und Betrieb der städtischen Hochbauten, insbesondere Schulen und Kitas. Darüber hinaus war er Aufsichtsratsmitglied des Oldenburger Unternehmens VWG (Verkehr und Wasser GmbH). Zu seinen früheren verkehrsbezogenen Tätigkeiten beim Regionalverband Saarbrücken gehörten die Mitgliedschaft im Zweckverband Öffentlicher Personennahverkehr auf dem Gebiet des Regionalverbandes Saarbrücken oder die Initiierung der ersten grenzüberschreitenden Buslinien MS1 und MS2 im deutsch-französischen Eurodistrict Saar-Moselle. Das Thema des Vortrags von Dr. Uhrhan auf der Veranstaltung heißt: „Energie- und Mobilität-Städte der Zukunft. Wie beeinflussen Nachhaltigkeit, Energie- und Mobilitätswende die Stadtplanung von morgen.“ Im Interview beantwortet er dazu vorab Fragen.