29.03.2023 | Interview
„Je größer der Anteil der Erneuerbaren, desto größer unsere Energieunabhängigkeit“
Jürgen Barke
Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie des Saarlandes
Jürgen Barke ist Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie des Saarlandes und Stellvertreter der Ministerpräsidentin des Saarlandes. In diesen Positionen ist er auch u. a. Mitglied des Bundesrates für das Saarland, des Wirtschaftsausschusses und Interview Jürgen Barke, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie des Saarlandes der Wirtschaftsministerkonferenz. Auf der Veranstaltung wird Jürgen Barke spezifisch auf den „Fahrplan zur Energiewende im Saarland – Auswirkungen und Risiken für die Wirtschaftsregion“ eingehen. Vorab gibt er uns erste Antworten auf Fragen zum Thema.
Herr Barke, wie definieren Sie die Rolle der erneuerbaren Energien für die Energiewende im Saarland?
Die energetische Transformation ist essentiell für die Zukunftssicherung des Saarlandes sowie des gesamten deutschen Wirtschaftsstandortes. Erneuerbare Energien sind von überragendem öffentlichen Interesse. Das hat auch die Bundesregierung erkannt, als sie im letzten Jahr zentrale Gesetzesmaßnahmen zur Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien beschlossen hat. Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges zeigen, dass Geschwindigkeit und Umfang der Energiewende nicht nur zum Klimaschutz erhöht werden müssen – je größer der Anteil der Erneuerbaren, desto größer unsere Energieunabhängigkeit. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist neben der Steigerung der Energieeffizienz die wichtigste Säule bei der Energiewende.
Welche Chancen sehen Sie durch die Energiewende für die Wirtschaft des Saarlandes? Gibt es Besonderheiten für unser Bundesland, die zu beachten sind?
Als energieintensiv produzierendes und exportstarkes Industrieland haben wir eine besondere Ausgangssituation im Saarland, zudem sind wir dicht besiedelt. Aber dennoch sichern wir mit unserer Entscheidung für die grüne Transformation perspektivisch Wachstum und Beschäftigung ab. Dazu bauen wir beispielsweise gerade eine komplette Wasserstoffwirtschaft auf, indem wir unterschiedliche Wasserstoffprojekte entlang der gesamten Wertschöpfungskette miteinander verknüpfen. Für Unternehmen auf der Suche nach einem neuen Standort sind Energiesicherheit und Wettbewerbsfähigkeit zu zentralen Kriterien geworden. Daher prüfen wir gerade passgenaue regenerative Energiekonzepte für Unternehmen, die zu uns kommen wollen. Für bereits ansässige Unternehmen entwickeln wir gemeinsam mit den regionalen Akteuren grüne Standortkonzepte. Ein Beispiel: Die saarländische Stahlindustrie investiert aktuell 3,5 Mrd. Euro in weitgehend klimaneutrale Produktionsanlagen. Als Land gehen wir mit einer dicken Schippe an finanzieller Unterstützung mit rein. Damit zeigen wir, dass grüne Industrie möglich und erfolgreich ist.
Welche Risiken birgt die Energiewende – Stichwort: Belastung der Stromnetze durch Erneuerbare und E-Mobilität? Wie ist das Saarland in Bezug auf die Netzsicherheit aufgestellt? Ist ein Blackout ein durchaus realistisches Szenario?
Ich halte die Wahrscheinlichkeit eines flächendeckenden Stromausfalls für gering. Unsere Energiebehörden stehen hinsichtlich der Netzstabilität und Versorgungssicherheit in regelmäßigem Kontakt zum Bundeswirtschaftsministerium und zur Bundesnetzagentur sowie den Stakeholdern der regionalen und kommunalen Energiewirtschaft. Bei den Übertragungs- und Verteilernetzen verfügt das Saarland bereits über eine gute Infrastruktur, die so ausgebaut werden kann, wie es die Energiewende erfordert. Erneuerbare Energien stellen im Übrigen kein Versorgungsrisiko dar, sondern sind vielmehr der Garant für eine zuverlässige und krisensichere Energieversorgung.
„Wir erarbeiten gerade ein Gesetz, das eine finanzielle Beteiligung der Kommunen sowie der Bürgerinnen und Bürger an Windparks ermöglicht.“
Jürgen Barke, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie des Saarlandes
Ist das Saarland gut auf die Energiewende vorbereitet und was würden Sie saarländischen Unternehmen raten, um sich vorzubereiten?
Das Saarland hat seine Hausaufgaben definitiv gemacht. Die Bundesregierung hat mit dem Windenergieflächenbedarfsgesetz eine zentrale gesetzliche Regelung auf den Weg gebracht, die die bisherigen Blockaden in der Fl.chenverfügbarkeit für die Windenergie aufbrechen soll. Im Saarland haben wir bereits 2021 im „Energiefahrplan 2030“ beschlossen, 2 % der Landesfläche effektiv mit Windenergieanlagen zu bebauen. Damit gehen wir sogar über die Forderung der Bundesregierung hinaus. Zudem haben wir uns im Saarland das Ziel gesetzt, den Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch des Landes bis 2030 zu verdoppeln. Daneben erarbeiten wir gerade ein Gesetz, das eine finanzielle Beteiligung der Kommunen sowie der Bürgerinnen und Bürger an Windparks sowie gegebenenfalls an PV-Freiflächenanlagen ermöglicht. Die Beteiligung soll allen Schichten und vor allem auch Gemeinwohlprojekten zugutekommen. Einzelne Unternehmen unterstützen wir bei der Energie- und Standorttransformation mit passgenauen, individuellen Konzepten und administrativer Begleitung. Von daher wäre mein Rat: Wenden Sie sich einfach an das saarländische Wirtschaftsministerium.
Inwiefern fordert und fördert die saarländische Regierung die Einführung energieeffizienter Technologien von der regionalen Wirtschaft? Gibt es Förderprogramme für kleine und mittelständische Unternehmen?
Dafür hat der Bund bereits ein ganzes Bündel an Fördermöglichkeiten geschaffen, beispielsweise für den Umbau auf einen energieeffizienten Maschinenpark oder den Einsatz erneuerbarer Energien. Wir informieren die Unternehmen über die Fördermöglichkeiten im Rahmen der Landeskampagne Energieberatung Saar.
Wie ist der Beitrag des Saarlandes zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen bzw. zur CO2-Neutralität. Sehen Sie unser Bundesland im Plan der Vorgaben von Bund und EU?
Wir sind ein Industrieland und wollen es auch bleiben. Die Stahlproduktion mit Koks verursacht natürlich einen hohen absoluten CO2-Ausstoß, auch wenn es über die Jahrzehnte immer weniger wurde. Es wird uns aber nur über grünen Strom und grünen Wasserstoff gelingen, Emissionen weiterhin deutlich zu reduzieren. Im saarländischen Klimaschutzgesetz haben wir das Ziel festgehalten, die Treibhausgasemissionen im Saarland bis 2030 um 55 % zu verringern. Als Industrieland werden wir alle Kräfte mobilisieren, damit wir dieses Ziel auch erreichen.
Energie SaarLorLux als Teil der ENGIE-Gruppe hat Ende 2022 das Gasmotorenkraftwerk Römerbrücke (GAMOR) fertiggestellt. Das Investitionsvolumen des Projekts belief sich auf 80 Mio. Euro. Das Unternehmen produziert Strom und Wärme in und für die Region und könnte perspektivisch die Produktion auch auf Wasserstoff umstellen. Wie wichtig sind solche Investitionen für das Energieland Saarland?
GAMOR stellt eine wirtschaftlich und technisch sinnvolle Ergänzung zum bestehenden Heizkraftwerk dar. Es sichert die Strom- und Fernwärmeversorgung im Saarbrücker Stadtgebiet ab und leistet gleichzeitig auch einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz. Die Anlage könnte heute schon 20 % Wasserstoff zumischen; perspektivisch betrachtet, wäre das Kraftwerk sogar auf 100 % Wasserstoffeinsatz umrüstbar. Für das Industrieland Saarland kann Wasserstoff die technologische Brücke in eine wirtschaftlich erfolgreiche und nachhaltige Zukunft sein.
Das Gasmotorenkraftwerk GAMOR der Energie SaarLorLux: „wirtschaftlich und technisch sinnvolle Ergänzung zum bestehenden Heizkraftwerk“